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Mit einem reinen Verdi-Programm präsentiert sich Diana Damrau am 10. Juni im KKL Luzern. Im Interview äussert sich die deutsche Sopranistin zur Kunst der Oper und ihrer Aufgabe als virtuose Interpretin.

Diana Damrau zählt zu den gefragtesten Sängerinnen unserer Zeit. Die gebürtige Bayerin ist bei allem Erfolg bodenständig geblieben. Das Repertoire der 48-jährigen Sopranistin ist breit und reicht von Mozart über die italienische Romantik bis zu Verdi und Strauss. In Luzern gestaltet sie zusammen mit ihrem Mann, dem französischen Bass-Bariton Nicolas Testé, einen Verdi-Abend. Im Interview gibt sich Diana Damrau offen und sympathisch, ein Opernstar zum Anfassen. Auch wenn sie nebenbei noch ihre Kinder hüten muss.

Diana Damrau, kennen Sie den Saal des KKL Luzern von früheren Auftritten her?

Ja, es ist so ein toller Konzertsaal mit einer wunderbaren Akustik. Ich habe hier schon Mozarts c-moll-Messe unter Herberth Rilling gesungen und «Vier letzte Lieder» von Richard Strauss unter Kirill Petrenko. Es war der erste Konzertsaal, der mich von der Akustik her so überrascht hat.

Was ist anders bei Auftritten im Konzertsaal gegenüber Bühnenauftritten?

Man ist als Solist auf dem Podium und verschwindet nicht hinter einer Rolle. Im Konzertsaal hat man mehr Möglichkeiten. Ich versuche mich in die Situation der Figur hinein zu versetzen. Die Gefühle müssen die gleichen sein, wie auf der Bühne. Ich bemühe mich mit Imagination eine schöne Stimmung herbeizuzaubern. Man kann als Sängerin an Feinheiten arbeiten. Es ist auch möglich, die «vierte Wand» zu öffnen und mit dem Publikum zu kommunizieren. Das ist schön.

Was bedeutet es für Sie, zusammen mit Ihrem Ehemann Nicolas Testé auftreten zu können?

Wir sind nicht das klassische Sänger-Ehepaar Sopran und Tenor. Mein Mann singt als Bassbariton eher die Bösewichte wie Wurm in «Luisa Miller». Ein Duett daraus wird auch im Konzert zu hören sein. Es ist schon etwas Besonderes, mit dem Ehepartner auf der Bühne zu stehen.

Weshalb singen Sie in Luzern ein reines Verdi-Programm?

Verdi als Schwerpunkt für die aktuelle Tournee mit dem Münchner Rundfunkorchester lag nahe. Ich finde das ganz interssant. Ich kann so auch Arien einbauen von Partien, die ich vielleicht in Zukunft singen werde – so wie die Szene der Desdemona aus «Otello». Das Verdi-Programm mit 14 Nummern ist eine ziemliche Herausforderung.

Kürzlich gaben Sie am Opernhaus Zürich Ihr Debüt als Maria Stuarda in Donizettis gleichnamiger Oper. Haben Sie damit eine neue Belcanto-Partie für sich entdeckt?

Die Maria ist eine sehr schwierige Partie, die man sich gut einteilen muss. Die Rolle ist noch work in progress. Inzwischen habe ich sie auch in Berlin zwei Mal konzertant gesungen.

Wie sieht es aus mit Anna Bolena und Elisabetta in «Roberto Devereux», den anderen beiden Rollen in Donizettis Tudor-Trilogie?

Es wäre auf alle Fälle verlockend, diese Rollen zu gestalten. Die Maria Stuarda ist die lyrischste der drei Partien.

Bei welchem Repertoire liegt derzeit Ihr Schwerpunkt?

Die hohen Belcanto-Partien wie Lucia di Lammermoor, die Marie in «La fille du régiment» und die Elvira in «I Puritani» gebe ich auf. Es kommen ja in diesem Fach viele junge Sängerinnen nach. Die Lucia-Zeiten sind vorbei für mich. Sie ist die höchste und sportlichste der Belcanto-Rollen. Ich bewege mich heute in die Richtung von eher etwas dramatischeren Rollen. Die Violetta in Verdis «La Traviata» bleibt aber sicher in meinem Repertoire.

Steht ein Rollendebüt an?

Derzeit studiere ich die Partie der Marguerite in Charles Gounods «Faust» ein – auf französisch. Dies für Berlin und London. Das ist für mich eine Vorbereitung auf Rollen wie die Daphne von Richard Strauss. Ich mache jetzt den nächsten Schritt, bleibe aber im Belcanto-Repertoire. Ich liebe es, mich in diese Charaktere hineinzuversetzen und sie mit der zugehörigen Virtuosität singen zu können. Als Interpretin muss ich einen Abend nicht nur musikalisch, sondern auch theatralisch tragen können. Im Moment bleibe ich bei leichteren romantischen und lyrischen Rollen.

Sie verlegen Ihren Lebensmittelpunkt nach Zürich. Was bedeutet dies konkret für Ihre Familie?

Mein Mann Nicolas Testé und ich werden nach Dübendorf ziehen, wo unsere beiden Buben, die fünf und sieben Jahre alt sind, auch zur Schule gehen werden. Zürich wird der Mittelpunkt sein, von dem wir dann sternförmig ausschwärmen werden zu unseren Engagements.

Ist Oper für Sie eine abgehobene Kunst oder steht sie mitten in unserem Leben?

Die Oper spiegelt die Realität wieder. Die Geschichten sind für uns nachvollziehbar und verständlich. Die Gefühle sind noch die selben. Die Menschen ticken immer noch gleich wie vor 200 oder 300 Jahren. Die Oper führt uns den Spiegel vor. Musik heilt und geht an die Seele. Sie bewegt uns und hilft uns, uns selbst zu helfen. Damit ist Singen mit eine der schönsten Sachen, die man machen kann – für sich und andere.

Lieben Sie Opferrollen?

Die Stellung der Frauen in der Gesellschaft wird von den Komponisten interessant widergespiegelt. Denken Sie an die Violetta, eine Kurtisane, die handelt wie eine Heilige oder an Lucia, die zwangsverheiratet wird. Das sind Opferrollen. Aber es sind keine schwachen Opfer. Diese starken Geschichten sollten uns die Augen öffnen gegen Ungerechtigkeiten anzukämpfen.

Luzerner Zeitung