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Wiener Zeitung

Die Jahreszeit, in der Weihnachtsalben entstehen, ist eher selten die der Schneeflöckchen und Kuschelpullis. Um im Adventgeschäft mitzumischen, werden derlei CDs nicht selten bei einer Affenhitze eingespielt. Davon kann nun auch Diana Damrau, die soeben „My Christmas“ (Erato/Warner) veröffentlicht hat, ein Lied singen. „Wir haben das Album vor eineinhalb Jahren im Sommer in Hannover aufgenommen, es hatte zweimal 35 Grad, draußen war Stadtfest.“ Schwierige Bedingungen, um in Adventstimmung zu geraten? Wenn sich Damrau eine Weihnachts-CD in den Kopf setzt, bringt sie offenbar kein Bierzelt aus dem Tritt: „Der Geist von Weihnachten muss das ganze Jahr leuchten, und das kann er auch.“

Warum hat sie überhaupt ein solches Album publiziert? Ist eine Weihnachts-CD – das bitte nicht falsch zu verstehen – womöglich eine der letzten Chancen, auf dem gebeutelten Tonträgermarkt noch Geld zu verdienen? Damrau: „Natürlich fragen einen die Plattenfirmen: ‚Wann machst du ein Weihnachtsalbum?‘ Es geht ihnen ja nicht gut. Ich fand dafür aber nicht den richtigen Zeitpunkt.“

Wie ein Ritter ausgezogen

Das änderte sich, als die Pandemie kam. Corona versorgte Damrau nicht nur mit dem Zeitbudget für ein solches Projekt, es ließ auch die Sehnsucht nach trostvollen Liedern in ihr wachsen. Damraus Familie verbrachte den ersten Lockdown in Frankreich, unter rigiden Regeln: „Mein Mann ist aus dem Haus wie ein Ritter ausgezogen und kam dann mit ‚Beute‘ zurück; es durfte nur eine Person mit Erlaubnis der Behörden raus.“ Damrau beschloss damals, ihren Sopran für einige Zeit nicht „tragischen, sterbenden Frauengestalten“ zu widmen, sondern Festtagsliedern – und schmiedete entsprechende Pläne.

Die wuchsen sich gewaltig aus. Damrau hatte bald so viele Noten gebunkert, dass sie ein Doppelalbum anpeilen musste. Aber selbst deren Spieldauer bot ihr nicht ausreichend Platz – weshalb sie schließlich einige Stücke zu Medleys verknappen ließ (Arrangeur: Richard Whilds). Warum eigentlich so viel Material? Damrau: „Mein Weihnachten sollte beides sein: festlich und selig.“

Tatsächlich ist die Bandbreite ihres Albums enorm: Während die zweite CD in Barockklängen schwelgt, beherbergt die erste Kunstlieder, Folklore und – sympathisch – ergraute Show-Ohrwürmer aus Damraus Kindheit, darunter der schlagerartige Oldie „Weihnacht’ muss leise sein“. Fast ein wenig schade: Wenn Damrau am heutigen Dienstag im Wiener Konzerthaus mit dem Programm Station macht, werden etablierte Komponisten wie Bach, Händel, Mozart den Ton angeben. Zwei Medleys tragen aber immerhin dafür Sorge, dass bei dieser „weihnachtlichen Zusammenkunft“ (Damrau) auch deutsche und internationale Folklore erschallt.

„Für meine Kinder wichtig“

Apropos Auftritt: Trifft es zu, dass die Operngröße Damrau heuer öfter auf Konzertpodien stand als Theaterbühnen? „Das stimmt – für diese Spielzeit. Es war mir für meine Kinder wichtig; sie sind zehn und zwölf und brauchen mich.“ Als Mitgrund kommt wohl auch hinzu, dass der Komfortfaktor eines Konzerts unschlagbar ist gegenüber den langwierigen Vorbereitungen auf eine Opernpremiere – Damrau streitet das auf Nachfrage nicht ab. Sie betont aber auch, nächstes Jahre wieder häufiger auf der Opernbühne zu stehen: Die legendäre Königin der Nacht (auf Youtube mit 49 Millionen Clicks für die Spitzentonarie ausgezeichnet) wird auch Debüts bestreiten, etwa in Strauss’ „Daphne“ und Puccinis „Bohème“ als Mimì“.

Was Damrau ebenfalls vorhat, aber noch ohne Fixtermin: einen Asteroiden näher kennenzulernen. Seit 2020 trägt ein solcher den Namen Diana Damrau – als Verneigung vor ihren Künsten als nächtliche Königin. Damrau: „Ich wurde von den Wissenschaftern darüber informiert, ich konnte es gar nicht fassen.“ Viel selbstverständlicher ist für sie, dass es mit dieser Kür auch der Opernschreiber Mozart irgendwie ins All geschafft hat: „Der hatte immer schon eine Verbindung zum Himmel; jetzt ganz physisch.“