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Die Sopranistin Diana Damrau und der Tenor Jonas Kaufmann gehören zu den begehrtesten Opernsängern unserer Zeit. So können sie sich Experimente leisten. Jetzt im Februar touren die beiden mit einem ungewöhnlichen Liederabend durch die großen Konzertsäle Europas. In Berlin, München und Baden-Baden waren sie bereits – jetzt haben sie in der ausverkauften Hamburger Elbphilharmonie gesungen. NDR Kultur Opernredakteurin Sabine Lange war da.

Frau Lange, Diana Damrau und Jonas Kaufmann haben Hugo Wolfs “Italienisches Liederbuch” im Gepäck, das ist selten zu hören. Wie haben Sie den Abend erlebt?

Das war tatsächlich ein ungewöhnlicher Abend, denn alle 46 Lieder des Italienischen Liederbuchs führt heutzutage kaum noch jemand auf, und wenn dann zwei so hochkarätige Sänger auf dem Podium sind und einer der besten – man kann ja schon sagen – legendären Liedbegleiter, Helmut Deutsch, dann ist das schon fast ein musikhistorisches Ereignis. Die drei haben sich auch für eine spezielle Reihenfolge der Lieder entschieden. Das steht den Künstlern bei diesem Zyklus frei. Sie haben thematisch sortiert und damit einen besonderen dramaturgischen Bogen geschaffen. Sie wollten das Ganze wie eine theatralisch aufgeheizte Liebesbeziehung zwischen Sopran und Tenor inszenieren, in der es zarte und verliebte Phasen gibt, dann aber auch, wie im wirklichen Leben, Streit und Eifersucht. In einem Interview hat Diana Damrau gesagt, sie empfinde diesen Liederzyklus wie ein Theaterstück, in dem zwei pubertierende Liebende miteinander flirten, aber eben auch kämpfen, und zwar so kräftig, dass die Teller fliegen.

Diana Damrau gilt ja als sehr spielfreudig, und auch Jonas Kaufmanns Charme erliegt das Publikum regelmäßig. Wie sind die beiden in der Hamburger Elbphilharmonie angekommen?

Mir schien es, dass viele im Publikum mit hohen Erwartungen gekommen sind, mit einer großen Neugier und Vorfreude auf das ungewohnte Werk. Da gab es Fachsimpeleien im Foyer, Noten unter dem Arm, viele waren auch deutlich festlicher gekleidet, als das sonst im Hamburger Musikleben der Fall ist. Und obwohl viele erkältet waren, herrschte erstaunliche Disziplin, was störende Geräusche betrifft. Die Akustik ist ja gerade bei einem so klein besetzten Konzert in der Elbphilharmonie sehr heikel. Diana Damrau und Jonas Kaufmann haben oft extrem leise gesungen, was diese kleinen, feinen, poetischen Liebesgedichte ja auch erfordern. Da war zwischen diesen nur drei Künstlern und den 2.000 Zuschauern eine innere Verbindung zu spüren, die alles andere als selbstverständlich ist. Die drei wurden am Ende dann auch entsprechend gefeiert.

Hugo Wolfs “Italienisches Liederbuch” müsste für Jonas Kaufmann ja ein besonderer Leckerbissen sein. Er hat ja vor kurzem erst seine Liebeserklärung an Italien in Form eines Albums “Dolce vita” herausgebracht. Wie haben Ihnen die beiden gefallen?

Es sind herausragende Sänger, keine Frage. Insbesondere Diana Damrau kann in wenigen Sekunden ein Lied mit vielfältigsten Nuancierungen von innen heraus zum Leuchten bringen. Das ist faszinierend zu hören. Jonas Kaufmann hat dagegen lieber auf geradlinige Melodik gesetzt. Bei ihm hätte ich mir eine differenziertere Phrasierung gewünscht. Was ich bei beiden auf Dauer etwas schwierig fand, war ihr aufgesetztes szenisches Spiel. Diese Lieder sind sehr fein, teilweise mit raffiniertem Witz und Ironie, da geht einiges verloren, wenn die Sänger so überzeichnet und stereotyp agieren, fast wie Soubrette und Operettentenor. Das fand ich wenig überzeugend. Die beiden hätten der Musik, aber auch der Auffassungsgabe ihres Publikums mehr vertrauen können.

Das Gespräch führte Philipp Schmid

NDR