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Berliner Morgenpost

Diese Partie hat sich Diana Damrau schon lange gewünscht. Vor acht Jahren war sie schon einmal in Washington als Ophélie in „Hamlet“ engagiert, doch wegen ihrer Schwangerschaft durfte sie nicht fliegen. In diesem Jahr ist es nun endlich soweit. Im März hat sie in Barcelona – mit viel zu wenigen Proben – ihr Rollendebüt gegeben. Sie ist froh, dass sie sich jetzt an der Deutschen Oper in Berlin noch einmal mit allen Facetten der Oper auseinandersetzen kann. Am Montag findet die konzertante Premiere statt.

Diana Damrau spricht voller Begeisterung über die Partie: „Die Musik ist einfach überwältigend. Sie ist so vielschichtig, darin stecken Offenbach und Wagner. Es klingt wie französischer Belcanto, aber mit einem großen dramatischen Einschlag. Die Stimme muss Höhe, Flexibilität und Brillanz haben, aber eben auch die nötige Durchschlagskraft.“

Für eine große Koloratursopranistin wie Diana Damrau ist es tatsächlich eine Traumrolle. Dabei wird die Oper des Franzosen Ambroise Thomas von 1868 nur selten gespielt. Das liegt auch daran, dass sie in allen Partien erstklassig besetzt werden muss. An der Deutschen Oper singt Florian Sempey die Titelrolle, und neben Diana Damrau steht ihr Ehemann Nicolas Testé als König Claudius auf der Bühne.

Nähe zum Orchester und zu den anderen Darstellern

„Diese Oper hat französische, deutsche und italienische Elemente. Drei Stunden lang ändert sich ständig der Stil, und alle zwei Takte gibt es einen Tempowechsel“, erklärt Yves Abel, der Dirigent der Premiere, der die Oper „Hamlet“ schon einmal in San Francisco dirigiert hat. Er wird in Berlin nicht die Fassung der Pariser Uraufführung dirigieren, die sich weit von Shakespeare entfernt. Darin krönt sich Hamlet am Ende zum König. „Lächerlich!“ nennt Abel das „Happy End“. Er hat dagegen die ein gutes Jahr später entstandene Londoner Fassung ausgewählt: „Da sind zum Schluss alle tot: Hamlet, Ophélie und der König.“

Diana Damrau zählt zu den Superstars des Opernbetriebs. Die Sopranistin aus dem schwäbischen Günzburg liebt es, sich ganz in die Rolle der Ophélie zu vertiefen: „Sie ist jung, ist Hamlet versprochen und lebt nur für die Liebe. Ophélie ist ein typisch romantischer Charakter. Sie ist ganz Gefühl. Sie leidet sehr darunter, dass Hamlet nicht über sein Problem mit ihr redet.“

An konzertanten Premieren schätzt sie die besondere Nähe zum Orchester und zu den anderen Darstellern. „Man kann besonders schnell aufeinander reagieren“, findet die Sopranistin. „Man darf sich natürlich nicht hinstellen und singen wie ein Briefkasten: Klappe auf, Klappe zu.“ Die Gefahr besteht bei einer Vollblutsängerin wie Diana Damrau sicher nicht. „Ich werde mich nicht am Ende ins Publikum werfen, wenn Ophélie ins Wasser geht. Aber man kann durch die Körperspannung und den Ausdruck im Gesicht viel von der Geschichte zeigen.“

Diana Damrau (48) spricht schnell und gestikuliert lebhaft, obwohl sie sich im Hotelbett gerade einen Hexenschuss geholt hat. Mit dem Rücken hatte sie schon ganz andere Probleme. Im vergangenen Jahr hat sie drei schwere Bandscheibenvorfälle überstanden. „Ich versuche, meine Körpermitte zu stärken, den Körper flexibel zu halten und mir die nötigen Auszeiten zu gönnen“, sagt sie. Dass sie das Singen als Hochleistungssport empfinde, hat sie oft gesagt. Gute Ernährung und Bewegung werden für sie jetzt immer wichtiger. Zeit für sich selbst zu finden, ist die größte Herausforderung bei ihrem vollen Terminkalender, einem ebenfalls singenden Ehemann und zwei kleinen Kindern.

Die Familie ist in Zürich zu Hause, die Söhne Alexander und Colyn gehen dort in die erste und dritte Klasse. „Von dort schwärmen wir sternförmig aus, nehmen die Kinder aber möglichst nur noch einmal im Jahr mit.“ Wenn sie mit in die Oper kommen, dürfen sie auch schon einmal dirigieren. Bei der Aufführung von den „Perlenfischern“ in New York bekamen sie Henna-Tattoos wie die Sänger. „Sie interessieren sich jetzt langsam auch für die Geschichten in den Opern“, freut sich die Sängerin.

Kurz vor der Premiere fühlt sie sich wie ein Springpferd

Diana Damrau tourt als führende Koloratursopranistin um die Welt, singt „Lucia di Lammermoor“ in Mailand, „Manon“ in Wien oder die Titelrolle von „La Traviata“ an der Bayerischen Staatsoper. Sie wechselt in Mozarts „Zauberflöte“ so leicht von der Pamina zu ihrer Paraderolle Königin der Nacht wie von der Oper zum Lied mit Harfenbegleitung. Zu Berlin hat die Diva seit Langem eine innige Beziehung. Dietmar Schwarz, den Intendanten der Deutschen Oper, kennt sie schon seit ihrer frühen Zeit im Mannheimer Ensemble. Er war dort damals Operndirektor. Als Eliza in „My Fair Lady“ lernte sie in Mannheim das Berlinern. Dann kam aus der Deutschen Oper Berlin das Angebot, die Königin der Nacht zu singen, bevor sie sich 2002 selbstständig machte. „Es war das erste große deutsche Opernhaus, in dem ich gastiert habe“, erinnert sie sich. Als sie in Berlin eintraf, wurde sie gleich gefragt, ob sie am nächsten Tag noch für eine ausgefallene Marzelline in „Fidelio“ einspringen könnte. Natürlich, sie konnte. Seitdem hat sie oft an der Bismarckstraße gesungen, etwa Donizettis „Maria Stuarda“ und Meyerbeer.

Für die nächsten anderthalb Jahre hat sie sich ein paar für sie neue Opern vorgenommen: Verdis „Die Räuber“, Donizettis „Anna Bolena“ und vielleicht auch Verdis „Otello“. Jetzt freut sie sich aber erst einmal auf die konzertante „Hamlet“-Premiere. Vor der Aufführung verspürt sie viel freudige Anspannung. „Kurz vor der Premiere fühle ich mich wie ein Springpferd, bevor es auf den Parcours geht“, sagt Diana Damrau. „Wenn dann der erste Ton kommt, ist es einfach nur noch die reine Freude.“