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Concerti

Im Interview erzählt Diana Damrau wie sie Weihnachten feiert und was das mit ihrem neuesten Album zu tun hat.

Wenn es eine Sängerin gibt, die ihre Rollen wirklich lebt, dann sie: Diana Damrau wurde schon mit zwölf Jahren von einem Opernfilm angefixt und seitdem nicht mehr losgelassen von der Sangeskunst. Nach einer intensiven Ausbildung in ihrer Jugend studierte die heute 51-Jährige in Würzburg, wo sie auch erstmals engagiert wurde. Heute singt die Damrau rund um den Globus an den prominentesten Bühnen – und kehrt doch immer wieder zu ihren Wurzeln zurück. Dazu gehört auch das Lied, dem sie nun mit ihrem neuen Doppelweihnachtsalbum „My Christmas“ ein Denkmal setzt. Was die guten alten Traditionen mit ihrem Leben zu tun haben, verrät sie im Interview.

Frau Kammersängerin, wie verbringen Sie dieses Jahr Weihnachten?

Diana Damrau: Bis zum 22. Dezember singe ich wunderschöne Konzerte, was meine Vorfreude gut in Schwung bringen wird, und wahrscheinlich feiern wir dann Weihnachten mit der Familie in Frankreich und werden dort auch das Neue Jahr begrüßen. Meine deutsche Familie trifft sich vorher bei meiner Konzerttournee. Wir machen das in Etappen.

Wenn Sie aber immer auf der Bühne stehen und ihr neues Album promoten, haben Sie da überhaupt Zeit und Ruhe für Ihre Familien?

Damrau: Das wird schon eine spezielle Aufgabe, und einige Tage habe ich natürlich auch frei. Da darf man sich nicht verzetteln, die Balance ist das Wichtigste, sonst kann man auch nicht singen.

Lassen Sie uns ein bisschen teilhaben an Ihrem Weihnachtsabend unterm Baum?

Damrau: Wie die Situation es verlangt, ist das immer ein bisschen anders. Viermal haben wir Weihnachten in New York verbracht und nachgefeiert. Also changiert es auch zwischen Truthahn, Weihnachtsgans und französischem Menü mit allen Schikanen zwischen Muscheln, Pâté Foie gras und Bûche de Noël und den dazugehörigen Traditionen. Ich versuche aber meinen Heiligabend immer so zu gestalten, wie ich ihn als Kind in Bayerisch-Schwaben erlebt habe. Die Engel sind gekommen: Ich läute das Glöckchen, alle treten ein, Kirchenglocken läuten, der Raum ist dunkel, in der Krippe liegt nun das Christkind, der nun auch endlich geschmückte Baum strahlt uns hell entgegen. Alle bleiben stehen und singen „Stille Nacht“. Erst dann gibt es die Geschenke, mit denen man sich ja vor allem auch selbst eine Freude macht. Das alles sind magische Moment, die ich auf dem Weihnachts-Album festhalten wollte.

Wie haben Sie die Repertoireauswahl getroffen? Sie ist ja sehr groß.

Damrau: Dies ist kein Rundumschlag, sondern es gehört für mich alles zusammen. Der Wunsch, nun ein Weihnachtsalbum zu machen, ist ein Kind der Corona-Zeit. Ich legte den Belcanto zur Seite und wollte einfach keine verletzten, todtraurigen mitunter auch wahnsinnigen Menschen mehr durch mich durchlassen. Sondern ich habe mich endlich wieder mit Kirchenmusik befasst, die ich früher viel gemacht habe, die mir auch fehlte und zu der man als Opernsängerin viel zu selten kommt. Bei all dem, was uns erschüttert hat, fand ich in dieser Musik den Halt wieder, und so kam die Idee zustande. Für mich gibt es die festliche und die selige Weihnacht, die kirchliche Musik in den nicht wegzudenkenden Weihnachtskonzerten und die traditionellen Weihnachtslieder die man zu Hause in der Familie singt und uns an unsere Kindheit und den Zauber des Festes erinnern. Es musste einfach ein Doppelalbum werden. Weihnachten ist doch das Fest des Lichts, des Gebens, des Zusammenseins und natürlich ein Fest für die Kinder. Es gibt Zusammenhalt und Freude und Hoffnung. In aller Unbill des Lebens suchen wir doch das Gute! Das wollte ich vermitteln.

Was genau ist denn für Sie das Reizvolle an weihnachtlicher Kirchenmusik, die Sie in der Oper vermissen?

Damrau: Sie bringt den Himmel auf die Erde oder uns ihm zumindest ein Stück näher. Heute drückt man auf einen Knopf und hat damit alles, was man sehen oder hören will, ständig verfügbar. Aber kommt man so auch zur Ruhe? Ich hatte als Kind eine Langspielplatte mit Gedichten und Kinderchören, da saß ich mit Plätzchen und Kissen auf dem Fenstersims und habe nach draußen geblickt. Heute würde man sagen: Ich habe meditiert. So konnte ich mich in die Geschichten fallen lassen und das Wunder Weihnachten spüren, durchaus auch in mich hineinhören, das Jahr Revue passieren lassen, mich hinterfragen. Das ist auch der Geist von Weihnachten.

Waren Sie eigentlich selbst im Kinderchor damals?

Damrau: Nein, aber ich habe viel mit meiner Oma gesungen. Sie hat in ihrem Chor immer solo singen dürfen und hätte wohl auch eine Opernsängerin werden können. Sie hat mir beigebracht, mit den Augen und mit der Seele zu singen, und vermittelte mir, dass man wirklich spüren muss, was man da nach außen trägt. Eigentlich war sie meine erste Lehrerin, weil sie mir die Mission einer Sängerin mitgegeben hat. Musik ist ja die Sprache der Gefühle, die wir dem Publikum vermitteln wollen.

Sie haben selbst schon die Corona-Zeit erwähnt – wie haben Sie die als Freiberuflerin überstanden?

Damrau: Es war halt plötzlich alles weg. Ich hatte aber sofort einen anderen Job, der allerdings unbezahlt war, und zwar zweisprachige Grundschullehrerin mit meinem Mann zusammen. Unsere Kinder waren da noch sehr jung und unselbstständig. Unsere Schule hat uns aber keine Stunde verpassen lassen, weil dort immer mit iPad gearbeitet wird. Wir sind nach Frankreich in unser isoliertes Ferienhaus mit Garten geflüchtet und haben die Horrormeldungen in den Medien verfolgt. Die Organisation unseres Büros überschlug sich, da man ja nicht wusste, wann und wie es weitergehen würde. Anstatt eines Konzertprogramms mussten mindestens drei zusätzliche erarbeitet werden: mit Pause, ohne Pause, mit Orchester, ohne Orchester, um dann später zu erfahren, dass es zu gar keinem Auftritt kommen wird … Das war Stress pur. Dabei waren wir uns aber vollkommen bewusst, dass es anderen im Lockdown noch viel schlechterging.

Wenn man so auf sich allein gestellt ist und quasi von außen auf das eigene bisherige Leben blickt, stellt man sich da auch mal die Sinnfrage? Gab es für Sie einen Plan B?

Damrau: Man stellt sich alle möglichen Fragen, vom Kleinsten zum Größten, aber einen Plan B gibt es nicht. Allerdings war ich erschüttert, wie schnell die Kultur hinten runterfiel. Man sieht das ja schon an unserem Bildungssystem. Wir werden nicht mehr mit unserem Körper verbunden, sondern legen viel mehr Wert auf Leistung und Intellekt. Dabei ist die Kunst sehr eng mit der Natur, Psychologie und der Menschheitsgeschichte verknüpft, gerade die Musik, die schon vor der Sprache existiert hat. Wir versuchen als Künstler ja, etwas Wertiges zu schaffen, mit Handwerk etwas Schönes und Bleibendes zu vermitteln, das man nicht einfach wegwirft. Kunst ist kein Hobby, sie gehört zu uns, sie ist existenziell, auch für mich. Darauf habe ich mich besonnen.