Features

 

Kurier

Die Sopranistin steht dem Regietheater kritisch gegenüber: Sie will nicht ständig im Unterhemd über die Bühne rennen müssen.

Die Sopranistin Diana Damrau sang sich mit fordernden Belcanto-Rollen an die Spitze des Opernbetriebs. In der aktuellen Spielzeit gibt sie jedoch fast nur Konzerte. Vor ihrem Abend im Musikverein sprach sie mit dem KURIER über die Plage mit Inszenierungen, Operetten mit Z-Wörtern und Herzensprojekte.

KURIER: Sie mussten zuletzt Ihre Konzerte absagen. Wie geht es Ihnen?

Diana Damrau: Niemand sagt gerne ab, und wir sind keine Maschinen. Auch wir Sänger können uns erkälten, und wenn wir krank sind, dann ist es unser Instrument auch.

Ihr Konzert am 14. Februar, im Musikverein …

… ist für mich ein großes Fest, das will ich nicht missen.

Wie kamen Sie darauf, Schumann mit spanischen Liedern zu kombinieren?

Die Grundthemen des Abends sind Liebe und Leben. Bei einem Liederabend ist man quasi sein eigener Intendant. Das Schönste dabei ist, in sogenannten Sessions mit dem Pianisten etwas auszuprobieren. Helmut Deutsch ist an sich schon so etwas wie eine Enzyklopädie. Ich glaube, er hat so ziemlich alles schon einmal gespielt. Unsere Idee war, vom Musikerehepaar Schumann zu erzählen. Man kennt deren Lebensgeschichte. Clara war ein Superstar am Klavier, das merkt man auch ihrer sehr aparten Kompositionstechnik an. Robert hat sie gefördert. Mit seiner „Widmung“, einem Lied, das er Clara zur Hochzeit geschenkt hat, schließen wir den Block mit Liedern von Clara und Robert. Dann kommen die Spanier, denn mein Herz schlägt für Spanien.

An der Met in New York tanzten Sie in Rossinis „Barbier von Sevilla“ als Rosina Flamenco. Was erwartet uns?

Eine Flamenco-Miniatur werden Sie hören – und Sie werden bei diesen Liedern etwas zum Lachen haben, denn sie sind keck, laden aber auch zum Träumen ein. Fernando J. Obradors hat Volkslieder zu echten Kunstliedern werden lassen. Da hört man die spanische Seele, „Amor y vida“ auf Spanisch.

Schumanns Zyklus „Frauenliebe und Leben“ erzählt von einer Frau, die ihr Leben auf ihren Ehemann fokussiert. Mit welchen Emotionen singen Sie das heute in Zeiten von Gleichberechtigung?

Ich stelle mir einfach vor, der Mann empfindet genau das Gleiche. Diese pure Liebe. Da geht es nicht um Moralisieren oder um Gesellschaft, sondern um echte Gefühle.

Sie geben in dieser Saison ausschließlich Konzerte. Ziehen Sie sich von der Opernbühne zurück?

Nein, aber ich möchte einfach mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen. Die sind jetzt 11 und 13 und brauchen mich. Maximal zwei Produktionen im Jahr sind mir genug. Ich brauche auch ein bisschen mehr Zeit für mich, um Neues einzustudieren und um zu klären: Was ist mir wichtig? Was gehört noch zu mir? Wo will ich hin? So mache ich jetzt Herzensprojekte. Im nächsten Jahr kommt dann ein wunderschönes Rollendebüt.

Strebt die Koloratur-Königin einen Fachwechsel an?

Es wird mehr deutsches Repertoire geben, mehr Mozart und Strauss.

Ist die Marschallin im „Rosenkavalier“ dabei?

Vielleicht. Mit Jonas Kaufmann bastle ich an Terminen für eine neue Liedertournee, und im Moment freue ich mich auf das nächste Konzert im Musikverein, „Frühling in Wien“. Da singe ich das „Gloria“ von Poulenc, das steht schon seit meiner Studienzeit auf meiner Bucketlist.

Jonas Kaufmann sagte, dass sich das Publikum nach schönen Inszenierungen sehnt. Die werden immer seltener. Treten Sie deshalb so selten in der Oper auf?

Ich muss sagen, so geht’s mir auch. Ich will nicht ständig irgendwelche Dinge in etwas transformieren müssen, was nichts mehr mit Schönheit zu tun hat und vielleicht auch gar nicht mehr mit dem Stück. Es muss ja nicht immer nur alles gefallen müssen, darum geht es ja gar nicht. Eine Inszenierung muss Tiefe haben und etwas übermitteln. Es gibt interessante, moderne Inszenierungen, die ein Stück aus einer anderen Perspektive beleuchten wie Willy Deckers „La Traviata“, in der ich an der Met gesungen habe. Aber es muss nicht immer hässlich und oder gewalttätig sein, um irgendwas aus unserer Gesellschaft zu spiegeln. Etwa ständig im Unterhemd über die Bühne rennen: Das muss ich mir echt nicht geben!

Viele Ihrer Kollegen meinen, dass Regisseure wichtiger genommen werden als Sänger. Sehen Sie das auch so?

Das stimmt. Wir müssen die Ideen des Regisseurs mit der Musik und dem Stück verbinden und transformieren. Komischerweise denkt man, wir wären ersetzbar. Klar sind wir das in einem gewissen Maße. Das ist auch gut so, aber wir leisten eine Riesenarbeit, und wenn’s gut wird, ist es nicht nur das Verdienst des Regisseurs, sondern auch der Sänger, die seine Arbeit jeden Abend wieder neu auf die Bühne bringen und dem Zuschauer in die Herzen setzen müssen. Warum muss man etwas über eine Geschichte legen? Wir übermalen doch auch keinen Renoir!

Mit dem Genre Operette machen Sie es sich alles andere als leicht. Diese Musik ist schwierig zu interpretieren.

Operette ist die umfassendste Form des Musiktheaters, weil alle Talente gefordert sind. Die knackigen Dialoge, da muss alles stimmen, wir müssen mit Power präsent sein, singen, tanzen und spielen in gleichem Maße. Und: Operette hat doch schon immer etwas Anrüchiges. Das war das Kabarett des Musiktheaters, denken Sie an den Frosch in der „Fledermaus“.

Planen Sie in Wien etwas zum Strauß-Jahr 2025?

Ja, aber was, das verrate ich noch nicht.

Was würden Sie jenen Leuten sagen, die behaupten, man soll keinen „Zigeunerbaron“ mehr spielen? Auf Ihrem Album ist ein Ausschnitt aus Lehárs „Zigeunerliebe“. Wenn dieses „Z-Wort“ in Opern vorkommt, wie in „Carmen“, wird es in Übersetzungen oft umschrieben.

Man muss das doch im Kontext seiner Zeit und seiner Kultur sehen! Das ist Weltliteratur! Nehmen wir einmal Prosper Mérimées „Carmen“: Zigeuner ist hier nichts Negatives. Wenn Sie Carmen ansprechen: Diese Frau kommt aus Andalusien, die ist selbstbestimmt. Alle diese genannten Werke haben das Recht, im Original gezeigt zu werden, genauso wie die „Zauberflöte“. Schön ist es, wenn es beides gibt, auch um Menschen an die Oper heranzuführen und uns Künstlern und den Schöpfern dieser Stücke etwas Gutes zu tun. Dann kann man auch folgen und sich noch mehr mit diesen Stücken auseinandersetzen. Aber eines ist klar: Wir brauchen die Schönheit. Wir brauchen Harmonie. Für mich ist Musik Medizin. Gemeinsam zu musizieren, ist das Schönste, was man tun kann. Und das ist es, was man erleben sollte. Das sollten wir weitergeben. Klar, die Zeiten sind schwierig, aber Musik ist die internationale Sprache, wir arbeiten schöpferisch gemeinsam an dem „Schönen, Wahren und Guten“, wie auf der Frankfurter Alten Oper zu lesen ist. Da versteht man sich in einer globalen Gruppe und arbeitet an einem Ziel: dem Publikum zu Hause und im Saal etwas zu geben.