Artikel

 

WAZ

Ein Weltstar zeigt Herz für leichte Muse. Was die Sopranistin an der Operette liebt, verrät sie im Interview. Am 28. singt sie in Essen

Die Opernwelt hat Diana Damrau als Mozarts „Königin der Nacht“ gefeiert, man bejubelt sie in den großen tragischen Rollen Verdis und Puccinis. Aber immer wieder blitzte in ihren nun 25 Karriere-Jahren auf, dass sie (gern) auch anders kann, keck, übermütig, frech. Darum liebt die Sopranistin die Operette ganz besonders. Einen ganzen Abend schenkt die Fränkin dem Genre bei einer Gala in Essens Philharmonie. Lars von der Gönna sprach vor dem Konzert mit ihr.

Wer je sehen durfte, was Sie tanzend und jauchzend abfackeln wenn Sie auf der Bühne Franz Lehárs „Hör’ ich Cymbalklänge“ singen, der hat keine Zweifel an Operette als Ihre Herzensangelegenheit. „Die geht richtig ab“, würde man an der Ruhr sagen…

Diana Damrau (lacht): Ich kann da gar nicht anders. Klar, da ist einfach alles drin: Schauspiel, Temperament, Melodien, die Frau darf richtig stark sein, vielschichtig und witzig dazu. Sowas macht natürlich wahnsinnig Spaß!

Spaß ist ein gutes Stichwort: Der Schauspieler Armin Rohde hat uns mal in einem Interview gesagt, tragisch aus dem Fenster zu schauen, das bekäme man schon hin, aber gute Komödie, das sei richtig Arbeit, damit es funktioniert. Wie geht Ihnen das, wenn Sie die „Rosalinde“ in der „Fledermaus“ spielen?

Tja, man ist nicht allein auf der Bühne und man leidet – wie in den großen tragischen Rollen – nicht allein vor sich hin. Gutes Timing ist wichtig, das fängt aber durchaus bei Mozart schon an, was man da alles zu leisten hat, wenn man bloß an die „Hochzeit des Figaro“ denkt. Aber sobald es um Komödie geht, muss es einfach gekonnt sein. Einerseits hat es mit Präzision zu tun: eine Pointe, die nicht auf den Punkt kommt, zündet halt nicht. Aber es ist auch ganz große Freiheit: Auf den Partner zu reagieren zum Beispiel. Da muss der Sänger dann auch mit seiner ganzen Persönlichkeit in diese Kerbe hauen.

Was in der Persönlichkeit der Diana Damrau kann sich denn am allerschönsten austoben in der Operette?

Ich denke: Alles! Du musst singen wie ein Gott trotz aller Schwierigkeiten auf der Bühne, du musst improvisieren können, du musst dich auf andere einstellen können. Ich freu mich schon wirklich sehr, wenn ich mal wieder solche Rollen auf der Bühne anfassen kann!

Bei der Tragödie werden wir ja seit der Antike durch Erschütterung geläutert. Was ist Operette, in der es um Seitensprünge geht, um Standesdünkel, um listige Frauen? Erkenntnis durch Lachen?

Ja, schon! Ganz bestimmt. Es menschelt halt. Es ist ja die Stärke der Operette, dass sie selbst die ernsteren Themen mit einem kräftigen Augenzwinkern angeht. Durch die wundervolle Musik gibt es halt noch ein Sahnehäubchen obendrauf, da wird sowas einfach erträglich. Und: Operette ist der Ort, in dem man einfach auch über sich selber lachen kann.

Die Zuschreibung, in den Welten von Johann Strauß, Jacques Offenbach und Franz Lehár sei alles harmlos, ist etwas unfair…

Aber ja, es gibt ja regelrechtes Kabarett in manchen Szenen. Die Operette ist quasi ja dessen Wiege, wo zum Beispiel der Gefängniswärter Frosch in der „Fledermaus“ sogar tagesaktuelle Spitzen loslassen kann. Sowas war lange vor dem Rundum-Bombardement durch Social-Media im Grunde Satire live auf der Bühne.

Die Operette hat an Popularität eingebüßt. „Glücklich ist, wer vergisst“, „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“, „Die Christel von der Post“, sowas sangen unsere Großeltern komplett auswendig. Das ist verschüttet. Und viele Opernhäuser verzichten ganz auf sie. Woran liegt’s, Frau Damrau?

(seufzt). Es ist schwer, da eine Autopsie vorzunehmen. Die Operette ist nicht tot, auf keinen Fall. Ein Grund ist sicher: Sie ist aufwendig, ist schwer zu besetzen, man muss darstellerisch extrem begabte Sänger haben, man braucht immer ein Ballett. Aber vor allem: Man braucht dafür absolute Bühnentiere, totale Profis, totale Allrounder. Und natürlich Regisseure, die sich trauen, die Operette anzufassen. Und zwar die, die sie dem Publikum so servieren, dass es was damit anfangen kann – und nicht irgendwelche psychologisierenden Inszenierungen, wo dann keiner mehr weiß, in welchem Stück man überhaupt ist.

…plus die Abwesenheit der Operette in den Medien. Rudolf Schock und Anneliese Rothenberger auf den besten TV-Sendeplätzen: Das war einmal.

Klar. Ich bin noch mit „Sie wünschen, wir spielen“ im Radio aufgewachsen. Meine Oma hat mir Operetten vorgesungen, sie waren im Fernsehen präsent. Die Plattformen sind auch weggebrochen. Aber das Publikum erwartet heute auch was komplett anderes: Bild, Schnitt, Kostüm, alles muss ein Event sein. So wie sich ja sowieso jeder auf Insta oder sonstwo selbst inszeniert. Jemand, der einfach nur gut singt und dem man zuhören muss, für den ist es in dem Genre einfach schwierig geworden.